Inselbücher auf Sylt

 
Ich komme gerade selig erfüllt von einem ausgiebigen Kalligrafie- und Buchbinde-Workshop auf der wunderschönen Nordseeinsel Sylt zurück. Im Gepäck habe ich ein sehr dickes selbstgestaltetes und selbstgebundenes Buch – meine "Inselbibel" –, Collagen, ein Leporello, 100 neue Ideen, einen Haufen Spaß, neue Freundschaften, Inspiration und Erfahrung.
Das pure Glück sozusagen.


Die Insel ist ein Traum, das Wetter war gewaltig: bombastische Wolkentürme von weiß bis dunkelblaugrau, Sturm mit Flugsand, dazwischen eitel Sonnenschein und Wellen, Wellen, Wellen. Und ich natürlich auch bei 15 Grad barfuß munter durch den Sand hüpfend auf der Suche nach Collage-Material (man kann z.B. frischen grünen Seetank und Federn hervorragend unter Teebeutelgaze collagieren). Aber eigentlich war ich die ganze Zeit barfuß: Nordsee funktioniert für mich anders nicht. 

Dass das Wetter nicht zum Baden einlud (es war sogar verboten, wie uns die roten Fahnen am Strand mitteilten) war von Vorteil für meine Arbeit. Ich habe mit kurzen Unterbrechungen von morgens bis in die Nacht gearbeitet und war einfach komplett im Fluss (im Meer?). So hätte ich noch ewig weitermachen können.
Eigentlich dachte ich ich komme auf der Insel, fern vom Alltag, mal dazu ein paar Stunden mehr zu schlafen. Das Gegenteil war der Fall. Und trotzdem bin ich putzmunter und energiegeladen.



Der Kurs wurde vom Dreamteam Birgit Nass und Marí Emily Bohley konzipiert und geleitet. Über die beiden habe ich ja schon viele gute Worte verloren. Ihre Kurse kann ich 100% empfehlen. Um einen Platz zu ergattern muss man entweder schnell sein oder sehr spontan einen freigewordenen Platz nutzen. Termine sind auf den Websites zu finden.
In diesem Kurs gab es viel praktischen und theoretischen Input. Man konnte sich auch gut persönlich beraten lassen (was stimmt nicht an meinem Layout – was sind die Finessen dieser Schrift – habt Ihr eine Idee für …?). Ein Vortrag über die Inselbücher und die Verlagsgeschichte sowie abendliche Bildershows von einer Workshop-Nordtour, die Birgit und Marí mit dem Turiner Kalligrafen Massimo Polello gemacht hatten, rundeten alles ab.

Zum Kurs-Thema: Wir haben jeder ein altes Inselbuch bekommen (keine seltenen Exemplare), was zufällig bei ganz vielen thematisch sehr gut passte. Ich hatte "Die Jahreszeiten" vom litauischen Schriftsteller Kristijonas Donelaitis. Meine lettischen Wurzeln konnten mit dem Epos aus dem 18. Jahrhundert etwas anfangen. Jahreszeiten auf einer Insel wurden dann das Kernthema. Ich hatte vorher allerlei Meeres-/Küsten-/Inselgedichte, Songtexte und Haikus rausgesucht und auch mein mitgebrachtes Collagematerial, die Farben und Stempel passten gut ans Meer. Der "Reisekalligraf" (der nicht mit dem Auto unterwegs ist) muss sich ja vorher gut überlegen, was alles ins Gepäck kommt.


Wir haben dann ein kleines Buch gebunden in das wir das Konzept für unser Inselbuch notiert haben. Das alte Original-Inselbuch wurde komplett auseinander genommen. Wir haben Collagen im B2-Format gestaltet und später auf das Buchformat zerteilt. Alles wurde bearbeitet, eingefärbt, beschrieben, illustriert und mit Blanco- oder farbigen Papieren (von Transparentpapier über Vorsatzpapier bis zu Fotos) in eine passende Ordnung und Größe gebracht. Dann ging es einen kompletten Tag lang darum das Buch zu binden, einen Buchdeckel inklusive Kapitalband zu gestalten und alles zu verleimen. Meine 19 Lagen ließen sich schneller verarbeiten, als ich dachte. Als dann alles trocken war konnten wir die Bücher öffnen und weiter mit Leben füllen. Jetzt wurde es allerdings etwas schwieriger, da man ja eine Buchkante hat und jede Seite trocknen muss bevor man an einer anderen arbeiten kann.


Ich werde in den nächsten Tagen mehr Fotos von meinem Inselbuch zeigen, für einen einzigen Blogeintrag ist das zuviel.

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